Завещание


Духовное завещание чувашскому народу

на русском языке

Чăваш халăхне панă халал

на чувашском языке

Spiritual testament to the Chuvashish people

на английском языке

Geistlicher Testament an die Tschuwaschen

на немецком языке

Testament spirituel
au peuple Tchouvache


на французском языке



Geistlicher Testament an die Tschuwaschen

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Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

An Euch wende ich mich als erstes, meine Freunde und meine Stammesgenossen Tschuwaschen. Euer Wohl lag mir sehr am Herzen, und Euch gelten in dieser Stunde meine Gedanken, Euch will ich zuerst meine letzten Wünschen mitteilen.

Am allermeisten haltet fest an dem größten Heiligtum - dem Glauben an Gott! Der Glaube beflügelt die Kräfte des Geistes und des Herzens, schenkt inneren Frieden, tröstäet und ermutigt die Seele in den Stunden des Unglücks und der Not, reinigt und erhellt sie im Glück und Erfolg. Wenn wir an Gott glauben, fürchten wir uns nicht vor Heimsuchungen des Lebens; ohne Glauben an Gott ist es kalt und finster auf der Erde. Glaubt, daß es eine Vergeltung für das Böse und das Gute gibt, daß es die Höhere Wahrheit gibt und das Gericht Gottes, schrecklich und gerecht.

Ehrt und liebt das große, gute und kluge russische Volk, das unerschöpfliche Kräfte des Geistes, des Herzens und des Willens in sich birgt. Dieses Volk hat Euch wie Brüder in seine Familie aufgenommen, hat Euch nicht übervorteilt und nicht gedemütigt. Geführt von der Vorsehung Gottes zu großen, für uns unsichtbaren Zielen, soll dieses Volk auch der Führer Eurer Entwicklung sein, folgt ihm und glaubt an dieses Volk. Schwer war das Leben dieses Volkes, viel Not und Leiden ist ihm auf seinem langen und leiderfüllten Weg begegnet, aber die Leuchten des Geistes sind in ihm nicht erloschen, und das Verständnis seiner hohen Berufung ist ihm nicht verlorengegangen. Seine Freuden sollen Eure Freuden sollen Eure Freuden sein, seine Not soll Eure Not sein, und Ihr werdet seiner lichten künftigen Große teilhaftig werden. Dieses Volk hat Euch in der Vergangenheit nicht übervorteilt, es wird Euch auch in der Zukunft nicht übervorteilen. Habt dieses Volk lieb und nähert Euch einander! Jedes Feld enthält Unkraut, meine langjährige Erfahrung soll Euch aber als Bürgschaft dafür dienen, daß Ihr im russischen Volk immer gute und kluge lenschen finden werdet, die Euch in Eurer gerechten Sache beistehen werden. Das russische Volk hat sein Recht unter Leiden erkämpft und wird dieses Recht zweifellos mit Euch teilen. Glaubt an Rußland, habt es lieb, und Rußland wird Euch eine Mutter sein. Als Unterpfand und Leitstern soll Euch der unsterbliche Name meines Lehrers Nikolaj Iwanowitsch Ilminskij dienen, der für mich die ganze Große und die ganze Schönheit des russischen Nationalcharakters verkörpert.

Ich wende mich an solche unter Euch, die eine Ausbildung genossen haben. Denkt daran, daß Ihr selbst Euren armen und im Elend lebenden Mitmenschen helfen müßt und wartet nicht, bis die Hilfe von irgendwo kommt. Denkt daran, daß die Pflicht, an der Aufklärung der Tschuwaschen zu arbeiten, in erster Linie auf Euch liegt, auf Menschen, die aus ihrer Mitte kommen. Kehrt zurück zu Euren Stammesgenossen und brindt ihnen den Schatz der wissenschaftlichen Kenntnisse, fordert bei ihnen die Begriffe des Staatsbewußtseins, lehrt sie das Gesetz und das Recht: Die Sorge darüber müßt Ihr übernehmen, Ihr aus dem Volk stammt. Verabscheut nicht die Armut, die Schwäche und die Unwissenheit Eurer Stammesgenossen: Ihr stammt aus diesem Volk und für dieses Volk müßt Ihr arbeiten, damit Ihr Eure Schuld für Eure auf Kosten des Volkes erworbene Bildung bezahlen könnt. Die Liebe des Volkes wird Euch dafür belohnen, daß Ihr Eure Pflichten gegenüber Euren jüngeren Brüdern nicht vergeßt. Denkt daran, daß nur dann das Herz des Volkes Euch gehören wird, wenn Ihr Euch nicht von der Volkssprache entfernt. Die Hinwendung zur Volkssprache bedeutet nicht Verrat an der russischen Sache. Dem großen russischen Vaterland kann man dienen, ohne die von Euren Müttern übernommene Sprache zu vergessen. Bringt das zu Ende, was ich vielleicht nicht mehr vollenden kann: Gebt dem Volk der Tschuwaschen die Heilige Schrift, nachdem Ihr die Übersetzung des Alten Testaments vollendet habt! Dient der Sache der christlichen Aufklärung, verbreitet das Lieh des Evangeliums unter den zahlreichen Völkerschaften, die den russischen Osten besiedeln; der Sprache und der Mentalität nach steht Ihr diesen Völkerschaften näher als die Russen. Durch die Arbeit auf diesem großen Feld könnt Ihr dem russischen Volk einen Teil der großen Schuld zurückzahlen, die Ihr ihm für das Licht des Glaubens an Christus suchuldet.

Haltet fest an der Familie: Die Familie ist die Stütze des Volkes und des Staates. Die Familiengebote waren immer stark unter den Tschuwaschen. Bewahrt diesen Schatz. Im Familienglück liegt der Schutz gegen die Heimsuchungen des Lebens. Eine starke und einträchtige Familie fürchtet keine äußere Mühsal des Lebens. Bewahrt die Keuschheit, furchtet Wein und Versuchungen. Wenn Ihr die Familie bewahrt, bewahrt Ihr die Kinder und schafft eine starke Stütze für das friedliche und ruhige Arbeiten.

Seid einmütig untereinandern, meidet die kleinlichen Zwistigkeiten und Streitigkeiten, denkt an das große Gebot des Heilands: Liebet die, die Euch hassen, und glaubt fest an die Lebenskraft der Nachgiebigkeit und der Nachsicht.

Glaubt an die Kraft des friedichen Schaffens undt habt es gern. Erledigt die kleinste Sache geduldig und mit Liebe, murret nicht über die Dimension der Lebensaufgabe. Die allerkleinste Aufgabe kann durch liebevolle Einstellung erhellt und mit Sinn erfüllt und die allergrößte Aufgabe durch die nachlässige, schlampige Einstellung erniedrigt und enthauptet werden. Glück und Erfolg kommt zu jedem Werk, das friedlich und mit Liebe getan wird. Fürchtet krumme Wege und Umwege; Erfolge, die mit unsauberen Mitteln erreicht werden, sind instabil und vorübergehend.

Das ist, was ich Euch sagen wollte, jetzt wo ich mich vorbereite, vor dem Höchsten Richter zu erscheinen. Wenn ich jemand gewollt oder ungewollt beleidigt habe, so bitte ich, mir zu vergeben und für mich zu beten. Ich danke herzilich für die Wärme und Güte, mit denen ich unverdienterweise beschenkt worden bin von Euch, meinen Stammesgenossen, und von vielen Russen, die mir mit offenem Herzen in meiner Ssche zu Hilfe kamen. Ganz herzlichen Dank möchte ich allen meinen Freunden und Mitarbeitern sagen: ohhe ihren selbstlosen Eifer wäre auch mein Werk nicht zustande gekommen. Ich grüße meine unmittebaren Schüler. Die Unterrichtsstunden, die ich mit ihnen verbracht habbe, waren die erquicklchen Stunden meines Lebens. Gott bewahre und behüte Euch auf Euren Lebenswegen.

Iwan Jakowlew, Simbirsk, 4 August, 1921.